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Flexibilität ist der Schlüssel zur Zukunft des Biogassektors

Interview mit Martin Dotzauer, Produktmanager Biogas bei Energy2market

Als Produktmanager Biogas bei Energy2market (e2m) gestaltet Martin Dotzauer seit 2023 die Vermarktung und Weiterentwicklung von Biogasanlagen aktiv mit. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit den wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen der Bioenergie.

In diesem Sommer hat er nach viereinhalb Jahren seine berufsbegleitende Promotion an der Universität Leipzig erfolgreich abgeschlossen – mit einem Thema, das perfekt zu seiner täglichen Arbeit passt. In seiner Dissertation mit dem Titel „Bewertung politischer Instrumente zur Erreichung qualitativer und quantitativer Ziele für Bioenergie im deutschen Stromsektor unter Verwendung objektorientierter Programmierung“ untersuchte er die Wirksamkeit des EEG im Hinblick auf Klimaschutzziele, Flexibilisierung und den Ausbau der Biogaskapazitäten in Deutschland. 

Seine Arbeit zeigt: Der flexible Betrieb von Biogasanlagen bringt nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern leistet auch einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Ausbauziele im EEG 2023 unter den derzeitigen Bedingungen kaum erreichbar sind. Wir haben mit Martin über seine Erkenntnisse, die politischen Rahmenbedingungen und seine Einschätzung zur Zukunft des Biogassektors gesprochen. 

Von der Grundlast zur Flexibilität 

Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Promotion! Was hat dich an der Thematik besonders fasziniert oder motiviert, dich mehrere Jahre wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen?

MD: In meiner langjährigen Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DBFZ war das EEG immer ein zentraler Bezugspunkt. Dort wurden über die Jahre die entscheidenden Weichen gestellt, um die Bioenergie von einer reinen Grundlasttechnologie hin zu einer bedarfsgerechten und flexiblen Option weiterzuentwickeln. Daraus entstand für mich zunehmend die Frage, ob der politische Werkzeugkasten überhaupt zu den energiepolitischen Zielen passt. Weil es dazu bislang kaum belastbare wissenschaftliche Analysen gab, wollte ich mit meiner Forschung genau hier ansetzen und mehr Transparenz schaffen 


Einer deiner zentralen Befunde ist, dass ein flexibler Anlagenbetrieb nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch vorteilhaft ist. Kannst du kurz erklären, warum Flexibilität Treibhausgasemissionen reduziert? 

MD: Ja, das war tatsächlich eine der ersten Fragestellungen in meiner Arbeit. Wenn Biogasanlagen von einer Grundlastfahrweise auf einen flexiblen Betrieb umstellen, verändern sie über das Merit-Order-Prinzip die Einsatzreihenfolge konventioneller Kraftwerke. Auch wenn die Bioenergieanlagen dadurch nicht mehr Strom erzeugen, sondern ihn lediglich zu anderen Zeiten einspeisen, werden unterm Strich Emissionen eingespart – Flexibilität wirkt also auch klimapolitisch positiv. Der Effekt entsteht dadurch, dass in Phasen hoher Strompreise im Schnitt auch höhere Emissionen aus dem konventionellen Kraftwerkspark auftreten. Indem Biogasanlagen gezielt in diesen Zeiten einspeisen, verdrängen sie emissionsintensive Erzeugung zugunsten klimafreundlicherer Kraftwerke. 

 

Wie sieht aus deiner Sicht die ideale Biogasanlage aus?

MD: Ideal ist eine Anlage, die technisch so ausgestattet ist, dass sie wirklich flexibel auf den Strommarkt reagieren kann. Dazu gehört vor allem ein ausreichend großer Gasspeicher, damit das Blockheizkraftwerk dann laufen kann, wenn die Strompreise hoch sind – und ebenso wichtig: dass es auch einmal pausieren kann, wenn die Preise niedrig oder negativ sind. Bei wärmegeführten Anlagen lohnt sich zudem ein Wärmespeicher, weil er die Entkopplung von Wärme- und Stromproduktion ermöglicht.
In meinen Berechnungen hat sich gezeigt, dass der wirtschaftlich optimale Bereich – also der „Sweet Spot“ – bei einer vier- bis sechsfachen Überbauung liegt. Eine neue 500 kW-Anlage mit 500 kW Bemessungsleistung erzielt also die beste Kosten-Nutzen-Relation, wenn sie technisch auf  eine installierte Leistung von zwei bis drei Megawatt ausgelegt isthat. Das gilt im Prinzip auch für Bestandsanlagen, auch wenn dort die Abschreibungszeiträume durch die verkürzten Vergütungsdauern etwas anders ausfallen. 

 

EEG 2023 – gute Idee, aber mit Konstruktionsfehlern 

Du hast dich intensiv mit dem Ausschreibungsdesign im EEG 2023 beschäftigt. Was sind deine zentralen Erkenntnisse?

MD: Das EEG 2023 setzt grundsätzlich die richtigen Anreize, indem es den Biogassektor stärker auf Flexibilität ausrichtet. Aber im Detail ist das Design nicht so angelegt, dass das Ziel von 8,4 GW installierter Leistung bis 2030 erreicht werden kann. Das Ausschreibungsvolumen ist schlicht zu gering. Eine bisher unflexible Anlage braucht im Ausschreibungsverfahren deutlich mehr Volumen, um die Flexibilitätsvorgaben zu erfüllen. Eine 500 kW-Anlage, die auf 1 MW überbaut, belegt doppelt so viel Ausschreibungsleistung, obwohl sie im Schnitt nicht mehr Strom produziert. Dazu kommt die verkürzte Vergütungsdauer für Bestandsanlagen – nur zehn statt zwanzig Jahre –, was den langfristigen Beitrag zum Ausbauziel halbiert. Das EEG ist insgesamt aber sehr komplex konstruiert und erschwert damit Betreibern gute Entscheidungen zu treffen und macht es auch für Politik fast unmöglich die langfristigen Folgen der vielen Regelungen abschätzen zu können. Meine Arbeit kann hier einen Beitrag leisten die absehbaren Folgen besser zu verstehen. 

 

„Wir brauchen ein Ausschreibungsdesign, das echte Investitionssicherheit bietet und Flexibilität honoriert.“ 

 

Du arbeitest derzeit an einer Aktualisierung des Modells für die neuen Bedingungen des Biomassepakets. Was verändert sich dadurch?

MD: Das Biomassepaket bringt einige Verbesserungen mit sich, insbesondere für Bestandsanlagen – etwa flexiblere Ausschreibungsbedingungen, einen höheren Flexibilitätszuschlag und eine Verlängerung der zweiten Förderperiode auf zwölf Jahre. Ich untersuche aktuell im Auftrag des DBFZ, wie sich das auf die Bestandsentwicklung auswirkt. Erste Analysen zeigen, dass die Maßnahmen zwar helfen, aber die strukturellen Probleme – das begrenzte Ausschreibungsvolumen und die kurzen Förderzeiträume – bestehen bleiben. Bis Jahresende werde ich dazu belastbare Ergebnisse vorlegen. 

 

Perspektiven für Betreiber:innen und Branche 

Wo siehst du aktuell die größten Hemmnisse für mehr Flexibilisierung?

MD: Das größte Hemmnis ist die wirtschaftliche Unsicherheit. Viele Betreiber wissen, dass sich Flexibilisierung technisch lohnt, scheuen aber die hohen Investitionen, weil die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht langfristig planbar sind. Zudem braucht es für den flexiblen Betrieb eine gute Vermarktungsstrategie und digitale Tools, um die Anlage optimal zu steuern. 

 

Welche Rolle können Biogasanlagen künftig im Zusammenspiel mit Wind und PV spielen?

MD: Biogasanlagen sind prädestiniert, um die Produktionsprofile von Wind und PV zu ergänzen. Sie können Strom dann liefern, wenn Sonne und Wind fehlen – und so Versorgungslücken schließen. Man spricht hier oft von „Speicherkraftwerken“. Die Zukunft gehört klar den flexiblen Biogasanlagen, denn Grundlasterzeugung wird es immer seltener brauchen, wenn Wind oder Sonne im Überfluss vorhanden sind. Biogas kann im Prinzip dasselbe leisten wie neue Gaskraftwerke – nur eben dezentral, mit heimischen Ressourcen und damit auch sichererunabhängig von Importen. 

 

„Die Zukunft gehört klar den flexiblen Biogasanlagen – sie sind die grünen Lückenfüller im Energiesystem.“ 

 

Was würdest du Betreiber:innen raten, die ihre Anlage zukunftssicher machen wollen?

MD: An Flexibilität führt kein Weg vorbei. Die Frage ist nicht, ob man flexibilisiert, sondern wie groß Gasspeicher und BHKW ausgelegt sein sollten. Wichtig ist, langfristig zu denken – wer heute in Speichertechnik investiert, verschafft sich Handlungsspielraum für die nächsten zehn Jahre. Ebenso wichtig ist, die Fahrweise regelmäßig an den Strommarkt anzupassen und Chancen im Austausch mit anderen Akteuren frühzeitig zu erkennen. 

 

Und wenn du einen Wunsch an Politik oder Branche frei hättest – was müsste sich ändern?

MD: Ich wünsche mir langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen. Biogas ist ein zentraler Baustein der Energiewende, aber das muss sich auch in der politischen Agenda widerspiegeln. Statt nur neue, zentral gesteuerte Gaskraftwerke zu bauen, sollten wir auch die vorhandenen Biogasanlagen ertüchtigen und ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit nutzen. Dafür brauchen wir Ausschreibungen, die Investitionssicherheit schaffen und flexible Leistung angemessen honorieren. 

 

Fazit

Mit seiner Promotion liefert Martin Dotzauer wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der politischen Rahmenbedingungen im Biogassektor. Seine Analysen zeigen, dass Flexibilität sowohl wirtschaftlich als auch klimapolitisch sinnvoll ist – und dass die vorhandenen Potenziale nur dann voll genutzt werden können, wenn Politik und Branche langfristig und mit klarer Perspektive handeln. 

 

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Pressekontakt
Anne Walter

+49 341 230 28-237

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